Die Familie Thielepape in Wabern (2. Teil): Haus Thielepape, Wilhelm-Dilich-Straße 6
Fortsetzung von Kalenderblatt Mai 2005
Werner Philipp scheint ein außergewöhnlicher und umtriebiger Mensch gewesen zu sein, der sogar in der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts seine Spuren hinterlassen hat. Eduard Helmer alias Ernst Koch charakterisiert ihn in seiner Erzählung "Prinz Rosa-Stramin":
... "Der Postmeister, verehrtester Herr, ist der Postmeister in Schinkenburg und heißt Paps. Es ist ein dummer Name. Aber der Postmeister ist ein gescheiter Mann und die Schinkenburger haben viel Respekt vor ihm, weil er so eine barbarische Stimme hat und immer Stiefel mit Sporen trägt. Er ist ein Poltergeist und leicht in den Harnisch zu bringen. 'Thurn und Taxis!' ist sein drittes Wort. Aber doch ist er sehr gemäßigt, weshalb er auch den Schinkenburgern so göttlich scheint. Er wirft einem z.B. nie eine volle Bouteille Bier an den Kopf, sondern immer eine leere, und trinkt auch nie mehr als fünf Bouteillen Bier, während die Ultras in Schinkenburg sechs trinken. Der Paps braucht gern das Wort Volk, und dabei denkt er an sich selber. Wenn irgendwo ein Straßenlärm ist, z.B. wenn die Jungen in Schinkenburg dem Herrn von Römfeld einen Kanonschlag gelegt haben, dann denkt er an die Julitage, schimpft auf das Stadtregiment und spricht mit bleichem Antlitz, aber mit Löwenstimme: 'Das sind die Folgen, und es wird noch schlimmer kommen!' Der Paps spricht auch gern von der Zeit, und dass die Aristokraten (das ist allemal ein Hieb auf den Adeligen in der Sängerstraße) die Zeit nicht verstehen. Es ist überhaupt ein barbarischer Kerl." ...
Nach dem Tod von Werner Philipp übernahm sein jüngster Sohn Friedrich Theodor Thielepape (09.02.1820 - 23.11.1853) die Stelle des Posthalters und Postmeisters. Friedrich Theodor Thielepape war mit Elisabeth (Lisette) Knauff aus Marburg verheiratet. Sie führte nach seinem Tod im Jahr 1853 mit ihrem späteren zweiten Ehemann Conrad Wagner bis zum Jahr 1857 und danach ihr Witwer noch zwei Jahre bis zu seinem Tod die Posthalterei weiter. Erst ab diesem Datum ging die Posthalterei endgültig in andere Hände über.
Die Julitage, also die Zeit des deutschen Revolutionsjahres 1848, bedeuteten einen Wandel in Friedrich Theodors Leben. Offensichtlich gehörte er der politischen Opposition an, denn er wetterte gegen die Günstlings- und Mätressenwirtschaft des Kurfürsten. Er fiel in Ungnade und die Postmeisterei wurde ihm noch im Dezember des gleichen Jahres wieder genommen.
Der nächste Rückschlag folgte im Jahr 1850, als auf Befehl des Kurfürsten die von seinem Vater im Jahr 1835/36 gegründete erste Waberner Zuckerfabrik mit der Begründung, dass der Grund für die geplante Zugstrecke nach Wildungen benötigt werde, abgerissen wurde. Auf Vermessungskarten ist erkennbar, dass die Bahnlinie knapp südlich der Zuckerfabrik vorbeiführt, so das die Vermutung nahe liegt, dass der Abrissbefehl nichts weiter als eine Retourkutsche war. Auffällig ist auch, dass in der gleichen Zeit seine beiden Brüder Justus George und Wilhelm Carl August Thielepape, wie viele ihrer Akademikerkollegen dieser Zeit der reaktionären Stimmung in Deutschland auswichen und nach Nordamerika auswanderten.
Vermutlich hatte sich die Posthalterei der Familie Thielepape ursprünglich in der Domäne befunden. Der Umzug auf den Hof in der Wilhelm-Dilich-Straße muss vor 1836 erfolgt sein, denn der zweite Posthalter Johann Werner Thielepape war in der Hausnummer 96, also dem Hof Thielepape gestorben. Dr. Julius Werner Thielepape, der Bruder des letzten Thielepape'schen Posthalters Friedrich Theodor Thielepape, wohnte aber noch im Jahr 1846 in der Hausnummer 1 1/2, also der Domäne.
Der landwirtschaftliche Betrieb in der Wilhelm-Dilich-Straße wurde nach dem Verlust der Posthalterei vom einzig überlebenden Kind von Friedrich Theodor Thielepape, dem anfangs erwähnten Carl Jacob Thielepape, weitergeführt. Carl Jacob Thielepape war mit seiner Cousine Caroline Wilhelmine Ferdinandine geb. Thielepape, einer Tochter von Dr. Julius Thielepape, verheiratet. Von Carl Jacob Thielepape ging die Landwirtschaft an seinen Sohn Emil Thielepape über, der sie bis zu seinem Tod im Jahr 1954 fortführte. Vor wenigen Jahren wurde das Anwesen endgültig von der Familie Thielepape an Christian Lumpe verkauft.