Kalenderblatt Juni 2022

Juni 2022

Amphibien in Kieswerken des Unteren Edertals

Flusskiese- und -sande der Eder sind seit langem begehrte Baustoffe. In den umliegenden Gemeinden, nördlich und südlich des Flusslaufs, zählt man alleine zwischen Wabern und Fritzlar über 70 Teiche, die ihren Ursprung in einer Rohstoffentnahme haben. Früher durch oftmals private oder kommunale Einzelentnahmen, später — besser organisiert — durch kleinere Kies- bzw. Baufirmen. Die Firma Irma Oppermann und ihre Vorläufer betreiben seit ca. 1860 Kiesabbau in den Ederauen. Zu Beginn bei Felsberg, seit den 1960er- Jahren auch in den Gemarkungen Niedermöllrich und Wabern. In den vergangenen fünfzig Jahren fand, neben der wichtigen Wiederherstellung wertvoller landwirtschaftlicher Nutzflächen, die Gestaltung von ca. 30 ha ehemaliger Gewinnungsflächen auch für naturnahe Nachnutzungen statt. Zuletzt im Bereich der mittlerweile vollständig rückgebauten Kies- und Sandaufbereitungsanlage an der B 254 zwischen Wabern und Niedermöllrich, wo die Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen e.V. (AGAR) seit über 20 Jahren ein Naturschutzprojekt betreibt. Die Zielarten sind Laubfrosch, Kreuzkröte und nördlicher Kammmolch. Die gute Zusammenarbeit mit der Betreiberfirma gipfelt mit der Schenkung des ehemaligen Sozialgebäudes an die AGAR. Die gut erhalten Räumlichkeiten stehen heute als Vereinsheim in Form der „Außenstelle Nord” der AGAR zur Verfügung. Herr Detlef Schmidt, Leiter der Außenstelle, beschreibt die Situation im Unteren Edertal wie folgt:

"Natürliche Flussauen und Überschwemmungslandschaften und ihre daran angepasste Tier- und Pflanzenwelt, sind in Hessen und somit auch an der Eder weitestgehend verschwunden. Mitunter übernehmen Kiesgruben zumindest vorübergehend als sogenannte Sekundärbiotope, also vom Menschen geschaffene Lebensräume, ersatzweise die Funktion der ehemaligen Primärbiotope.

Eine herausragende Bedeutung haben solche Ersatzlebensräume wie Kies- und Sandgruben gerade für die auf Gewässer und Rohböden angewiesen Amphibienarten.

Hier ist insbesondere die Kreuzkröte (Epidalea calamita), der Laubfrosch (Hyla arborea) und der nördliche Kammmolch (Triturus cristatus) zu nennen. Abbaugebiete mit einer Vielzahl an unterschiedlichen feuchten und trockenen Standorten und extremen Standortbedingungen können aber auch vielen anderen gefährdeten Arten, zumindest temporär, einen Lebensraum bieten. Viele dieser Lebewesen stehen heute auf der Roten Liste bedrohter Arten. In den Kiesguben der Unteren Eder sind sie mitunter noch recht häufig.

Eine weitere Besonderheit in der Amphibienfauna des Edertals ist die Geburtshelferkröte. Ihre besondere Brutbiologie zeichnet die Art als einmalig unter den heimischen Lurchen aus. Die Männchen übernehmen die Eier vom Weibchen und wickeln sich diese um die Hinterbeine und tragen sie solange mit sich herum, bis sie schlupfreif sind. Erst dann bewegt sich das Männchen zum nächsten fischfreien Gewässer und gibt die Kaulquappen dort ab.

Als sogenannte Pionierarten benötigen diese angepassten Arten immer Lebensräume mit wenig pflanzlichen Aufwuchs wie sie in Kiesgruben und anderen Materialentnahmestellen durch die Abbautätigkeit entstehen. Oftmals sind Sand- Kies- oder Tongruben sowie Steinbrüche die letzten Rückzuggebiete, wo diese Arten in unser überformten Landschaft überlebt haben. Werden die Gruben stillgelegt, müssen diese Flächen aufwendig durch Pflegemaßnahmen erhalten werden."

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