Kalenderblatt November 2022

November 2022

Die Schwalm - Eine Wanderung zwischen zwei ehemaligen Mühlen (2)

Sie befinden sich in der Gesamtheit des unteren Muschelkalks, der in der Zeit des mittleren Trias gebildete, welcher den Zeitraum 240 bis 235 Millionen Jahre vor unserer Zeit umfasst. Während dieser Zeit war Mitteleuropa von einem großen, aber nicht sehr tiefen Meeresraum bedeckt. In diesem Meer lagerte sich Kalk und Ton auf dem Meeresboden ab, welcher sich im Laufe der Zeit zu Kalkstein und Mergelstein verfestigte. Diese Ablagerungen zeigen sehr oft Fossilien und Abdrücke versteinerter Lebewesen. Die in diesem Gestein sichtbaren „Wichtelhöhlen” sind jedoch viel Jünger. Döring schreibt, dass ein Vertreter des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie im Jahre 2003 aufgrund seiner Bewertung zu der Erkenntnis gelangt ist, dass es sich bei den „Wichtelhöhlen” um bergmännisch In den Muschelkalk getriebene "Versuchsstollen" handelt, um den Bereich auf Erzhöffigkeit zu untersuchen. Eine derartige Untersuchung könnte bereits im Mittelalter durchgeführt worden sein. Wir gehen weiter ent- lang der Schwalm und erreichen die steinerne Eisenbahnbrücke der zweigleisigen Main-Weser-Bahn. Das Bauwerk mit seinen vier Rundbögen wurde zwischen 1846 und 1852 errichtet.

Auf der östlichen Seite der Bahntrasse macht die Schwalm einen leichten Linksbogen und verläuft in nordöstlicher Richtung gen Wabern. Direkt am Kreuzungspunkt der alten Ziegenhainer Straße mit dem Fluss steht das Brückenhaus, im Volksmund "Brückenhäuschen" genannt.

Die erste urkundliche Erwähnung befindet sich in den Kirchenbüchern im Jahre 1814. Der Name geht vermutlich darauf zurück, dass hier früher ein Brücken- und Wegegeld-Erheber seinen Dienst verrichtet hat, daneben war es gleichzeitig Gasthaus und Bauerhof. Urkundlich wird eine Barriere (Schranke) bei Uttershausen erstmals 1832 erwähnt. Die Reste eines Schlagbaums mit den Jahreszahl 1866 und 1868 wurden bei Bauarbeiten entdeckt. In dieser Zeit wurden die Schlagbäume landesweit entfernt und die Pflicht zur Zahlung von Wegegeld aufgehoben. Der Gaststättenbetrieb bestand wohl weiter. Im Jahre 1910 wurde der Schankbetrieb um eine Wirtschaftshalle für Tanzveranstaltungen erweitert. Der letzte Wirt Heinz Schröder — Brückenhänner genannt — zapfte am 31.12.1994 offiziell den letzten Schoppen.

Wir begleiten die Schwalm noch 200 m in Richtung Wabern, bis das Gewässer einen leichten Rechtsbogen vollzieht und sich nun durch Wiesen und Felder Richtung Unshausen schlängelt, vorbei am Sportplatz der SG Unshausen/ Harle. Hier mündet die Efze, die In der Nähe von Schwarzenborn ihre Quelle hat, nach 38,2 km rechtsseitig in die Schwalm. Nach dem Zusammenfluss strömt das FlieRgewässer wieder träge in nordöstlicher Richtung. Während sich auf der westlichen Seite die Schwalmwiesen bis zur Umgehungsstraße der B243 erstrecken, sind auf der östlichen Seite bestellte Felder zu sehen. Hier befindet sich auch das, in den letzten Jahren angelegte, großflächige Biotop.

In Höhe eines zugewachsenen Altarmes strebt die Schwalm nunmehr der Gemarkung Harle zu. Zuvor durchfließt sie die Schwalmbrücke der B 254. Nach den Aufzeichnungen von Arnold Freudenstein aus dem Jahre 1937 wurde die Brücke 1871/1872 erbaut. Die Quadersteine kamen aus den Steinbrüchen von Geismar und Balhorn. Bis zur Errichtung dieses Bauwerks ging die Straßenverbindung zwischen Wabern und Homberg über Harle durch eine Schwalmfurt. Führte die Schwalm zu hohes Wasser, war die Fahrt durch die Furt zu gefährlich. Dann musste die Straße über Uttershausen, Lendorf und Hebel benutzt werden. Der Bau der Brücke bedeutete eine wesentliche Verbesserung des Straßenverkehrs nach Homberg, aber im Besonderen zur Zuckerfabrik.

Nach der Schwalmbrücke ist die Harle Mühle unser nächstes Ziel. Die Geschichte dieser Mühle ist untrennbar mit dem Namen Metz verbunden. Seit 1560 haben die Familien Metz und ihre Nachfahren in 14 Generationen bis 1957 die Mühle bewirtschaftet. Wann die Harler Mühle entstanden ist, Ist unbekannt. Es gab sie jedoch schon seit länge- rer Zeit, als Hans und Curt Hennmöller am 10.03.1560 ihre Erbgerechtigkeit an der Mühle an Adam Mezen und seine Frau Anna verkauften. Ein ausführlicher Bericht über die Harler Mühle wurde in der Chronik der Gemeinde Harle von Inge Homburg und Reinhold Gerhold verfasst. In der 14. Generation hatte Elisabeth Metz im März 1918 Hof und Mühle übernommen. Sie heiratete den nicht unvermögenden Johann Heinrich Engelhardt Otto aus Gombeth. Otto plante die Mühle erheblich umzubauen. Hierzu kam es nicht mehr. Er verstarb infolge eines Unfalls am 20.12.1926. Obwohl Elisabeth erkannte, dass Ihr einziger Sohn Karl nicht mit Geld umgehen konnte, überschrieb sie Ihm den Hof. Da Karl den Betrieb nicht verantwortungsvoll führte, blieben die Kunden aus. Die Mühlentätigkeit musste vollständig eingestellt werden. Das gesamte Anwesen wurde am 31.Mai 1957 an die Familie Rudolf Werner verkauft. Auf der 28 m langen Schwalmbrücke an der ehemaligen Mühle, die im Rahmen der im Jahre 1963 begonnen Schwalmregulierung errichtet wurde, schließen wir unsere Wanderung ab. Wir schauen in Richtung nordost über die Schwalm und wissen, dass unser heimatliches Gewässer bei Altenburg in die Eder fließt und bis dahin 97,1 km zurückgelegt hat.

Quellen:
Singlis - Hundert Jahre Ortsgeschichte
Uttershausen — Aus der Geschichte eines Dorfes
Dorfchronik Harle 1209-2009

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