Marktfrau mit Rückentrage (Kiepe/Kötze) im Bahnhof Wabern aufgestellt
Bis zur Errichtung der Bahn- und Postanlagen sowie dem Bau der Zuckerfabrik hatte Wabern eine bäuerlich-handwerkliche Wirtschaftsstruktur. In dieser Zeit bewirtschaftete ein Großteil der Bevölkerung Land und besaß Vieh. Neben den landwirtschaftlichen Betrieben im Haupt- und Nebenerwerb war es keine Seltenheit, dass Familien zwei Milchkühe für den Eigenbedarf hatten. Daneben gab es noch zahlreiche „Ziegenbauern“.
Für die bäuerlichen Familien war der Markt in Kassel von großer Bedeutung. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war der „Altmarkt“ Treffpunkt aller Händler. Mit dem Wachstum der Stadt rückte er aus der Mitte der Stadt. Neues Stadtzentrum und Marktplatz wurde der Königsplatz.
Das Markttreiben begann bereits um 8 Uhr morgens. Die begehrten Stellplätze waren jedoch schon früher belegt. Somit mussten sich die Marktfrauen schon früh auf den Weg machen. Die Waberner Marktfrauen — die Bauersfrau selbst oder eine Magd — trafen sich nachts und machten sich auf den Fußmarsch nach Kassel. Unterwegs schlossen sich Frauen aus anderen Dörfern an. Die etwa 30 Kilometer lange Strecke mussten sie ihren vollen Korb (Kiepe, Kötze) auf dem Rückentragen, bis sie nach fünf bis sechs Stunden auf dem Markt ankamen.
Die angebotenen Produkte aus der eigenen Erzeugung wie Butter, Eier, verschiedene Gemüsesorten und Obst waren für die Bauern oft die einzige Möglichkeit, Bargeld zu erhalten. Die Erlöse stellten für sie eine wichtige Existenzgrundlage dar.
Bis 13 Uhr dauerte der Markt. Danach packten die Marktfrauen ihre unverkauften Produkte wieder zusammen. Auch Dinge, die sie für den Eigenbedarf oder für die Dorfgemeinschaft erworben hatten, verstauten sie in der Kiepe und machten sich auf den langen Heimweg. Eine harte Arbeit, die ihnen zu einer besonderen Stellung in der Dorfgemeinschaft verhalf. Sie versorgten die heimische Bevölkerung mit Waren, die im Dorf nicht zu bekommen waren. Aber auch Neuigkeiten brachten sie aus Kassel mit. Sie waren für die damalige Zeit wichtige Nachrichtenübermittlerinnen.
Eine Verbesserung brach dann ab 1849 an. Die Bahnverbindung zwischen Wabern und Kassel war fertiggestellt. Nun nutzten die Marktfrauen für die Fahrt nach Kassel und zurück die Eisenbahn, was mit weniger Mühe und einem geringeren Zeitaufwand verbunden war.
Zu einer Einschränkung des Marktangebotes kam es mit der Inbetriebnahme der Molkerei Wabern in der Bahnhofstraße im Jahre 1920. Dort wurde die angelieferte Milch zu Käse und Trinkmilch verarbeitet. Immerhin waren es über 70 bäuerliche Betriebe aus Wabern, die ihre Kuhmilch zur weiteren Verarbeitung in die Molkerei lieferten. Eine Verarbeitung der Rohmilch für den eigenen häuslichen Bedarf erfolgte nur noch in wenigen Betrieben.
Der älteren Generation sind noch die Milchbänke bekannt. Dort stellten die „Milchbauern“ ihre gefüllten Milchkannen mit Nummern versehen ab. Sie wurden zuletzt von Günter Hose zur Molkerei gefahren. Die Milchbänke waren ein beliebter Treffpunkt der damaligen Jugend.
Die Mitglieder des Geschichts- und Kulturkreises haben in der Jahreshauptversammlung am 16.02.2018 auf Anregung des Vorstandes beschlossen, zur Erinnerung an die Waberner Marktfrauen am Bahnhof eine entsprechende Skulptur aufzustellen. Die Künstlerin Bärbel Kolberg, Meerbusch, wurde daraufhin beauftragt, eine entsprechende Skulptur aus Beton zu erstellen. Die Skulptur ist inzwischen fertiggestellt. Sie wurde Ende Oktober 2020 im Warteraum des DB-Reisecenters im Bahnhof aufgestellt. Die offizielle Vorstellung und Übergabe an die Gemeinde wurde wegen der Corona-Krise verschoben. (MU)