Kalenderblatt Mai 2019

Mai 2018

Das Gesinderegister von Wabern 1824 - 1849

Für Wabern hat sich ein Gesinderegister für die Jahre 1824 bis 1849 erhalten. In ihm sind 324 Bedienstete mit ihrem Alter, ihrem Geburtsort, ihrem Dienstherren, dem Datum des Dienstbeginns und verschiedentlich auch mit dem Dienstende und einer Bemerkung zum Betragen (Zeugnis) verzeichnet. In den meisten Fällen ist als Geburtsort wie zu erwarten Wabern genannt. Viele weitere Bedienstete stammen aus Orten im näheren Umkreis, aber einige auch aus entfernteren Orten wie Göttingen, Marburg, Helsa, Tann in der Rhön, Neuenstein, Obergeis bei Hersfeld, Altmorschen, Rotenburg oder Bründersen bei Wolfhagen. Das Verhältnis zwischen Dienstherrn, Gesinde und Obrigkeit wurde durch die Gesindeordnung in der Hessischen Grebenordnung (Hessische Grebenordnung, Kassel, 1739, S. 13ff) geregelt. Sie behielt ihre Gültigkeit bis zum 18.05.1801 mit der novellierten „Verordnung das Gesindewesen ... betreffend" (Neue Sammlung der Landesordnungen ..., Kassel, 1806, S. 368ff). Mit ihnen wurde genau festgelegt, was die Rechte und Pflichten des Gesindes und des Dienstherren waren. "Das alle Bürger und Bauern, die ihre Kinder zu ihrer Handthierung, zu dem Ackerbau oder dem Haushalte nicht nöthig haben, noch sie ein Handwerk erlernen lassen, dieselben, sobald sie in den Jahren sind, dass sie sich bey andere Leute vermiethen können, nicht bey sich behalten, sondern soviel möglich bey andere ehrliche Leute zur Aufwartung und zum Dienen bey Zeiten unterbringen suchen sollen". Das Alter der Verzeichneten liegt zumeist zwischen 17 und 30, aber es finden sich auch einige ältere Personen darunter. Man darf davon ausgehen, dass sich diejenigen jungen Menschen in Anstellung begaben, die nicht Erbberechtigte in der elterlichen Landwirtschaft, deren Eltern Tagelöhner ohne eigenes Land waren oder die nicht als Lehrlinge in einem Handwerk unterkamen. "Bäuerliches Gesinde" war dem Bauern und der Bäuerin untergeordnet und wurde - schon aufgrund des meist geringen Alters - wie der eigene Nachwuchs behandelt. Zumal die Bauernhäuser eine offene Struktur hatten und kaum eine Privatsphäre unterstützten, gab es auch keine Abgrenzung zwischen der biologischen Familie des Bauern und dem - mit dem Bauern oft nicht verwandten - Gesinde." (Heidi Rosenbaum: Formen der Familie, Frankfurt am Main, 1982, S. 65)

Das Dienstverhältnis betrug zumeist nur einige Jahre, da das Gesinde natürlich bestrebt war, seine Arbeits- und Lebensumstände zu verbessern. Eine Hochzeit auf einen Hof oder bei den jungen Männern bestenfalls das Einheiraten in eine Landwirtschaft oder die Beschäftigung als Handwerker war sicherlich ein Grund für die Beendigung eines Dienstverhältnisses. Das dieses nicht allen aus dieser Gruppe gelang, erkennt man an denjenigen, die im höheren Alter immer noch zum Gesinde gehören. Conrad Momberg, geboren am 12.09.1778 in Harle, „dient seit langer Zeit bei der Herrschaft, ist Einwohner dahier". Er war zum Zeitpunkt der Beschäftigung beim Postmeister Thielepape 47 Jahre alt. Als sein Beruf ist im Kirchenbuch Postillion und Ackermann angegeben, er war also damit nicht der typische Knecht fortgeschrittenen Alters.

Leider ist nur bei einem kleineren Teil der Bediensteten das Betragen verzeichnet. Wenn eine Bemerkung zum Betragen vorhanden ist, dann zumeist „gut", vereinzelt findet man auch den Hinweis auf schlechtes Benehmen oder mangelnden Fleiß und darüber hinaus einige Male die Erwähnung einer Schwangerschaft. So auch bei Maria Muth, die zum Ende ihres Dienstverhältnisses führte. Maria Muth, geboren am 27.09.1802 in Wabern, bekam ihre Tochter Anna Catharina am 21.12.1825. Ihren Dienst hatte sie erst im Januar 1825 bei Friedrich Witzel angetreten. Der Vater ist nicht bekannt, oft mag das Klischee vom Dienstherrn als Vater zutreffen. Erst 1834 heiratete sie Johannes Brück aus Wabern. Ein anderer Fall ist Eva Heckeroth, geboren am 23.01.1799 in Lohre. Sie bringt am 21.08.1827 ihre Tochter Catharina Maria zur Welt. Sie war seit Januar 1824 in Anstellung bei Cantor Kornemann. Als Vater wird Conrad Kircher genannt, ein Husar aus Bruchköbel, den sie aber nicht heiratet. Sie geht erst sehr viel später im Jahr 1845 die Ehe mit Georg Grüber aus Wabern ein. Bei Anna Maria Belz aus Obermöllrich, geboren um 1799, seit Januar 1826 in Anstellung bei Pfarrer Werner, ist als "Zeugnis" vermerkt: "Ist schwanger und fortgejagd". Da nach dem Ende der Beschäftigung vom Dienstherren ein Zeugnis ausgestellt werden musste, das bei einer erneuten Anstellung notwendigerweise vorzuzeigen war, dürfte sich dies bei schlechtem Betragen als ungünstig erwiesen haben. Maria Werner aus Oberurff, geboren um 1819, angestellt seit dem 15.02. bis 02.06.1842 bei Dr. Thielepape, hat sich "nach dem Zeugnis schlecht betragen". Anna Elisabeth Fischer, 29 Jahre alt, aus Pfaffenhausen, im Dienst beim Posthalter Thielepape seit dem 01.01.1834, hat sich ebenfalls "schlecht betragen" und ist am 13.02.1837 entlassen worden.

Beim ersten Dienstantritt war ein Attest zum Geburts- und derzeitigen Aufenthaltsorts und dem Verhalten vorzulegen, das der Pfarrer, der Grebe oder der Vorsteher des Heimatortes ausstellen musste. Das Dienstverhältnis wurde auf eine gewisse Zeit festgelegt, abhängig von regionalen Gebräuchen. Der in Treysa stattfindende Scherzmarkt hat vom Namen her seinen Ursprung in der Anstellung des Gesindes. Er findet gewöhnlich am 28. Dezember statt, also in der Zeit "zwischen den Jahren". Nach altem Brauch soll dies dort auch der Zeitraum gewesen sein, in der das Dienstpersonal die Arbeitsstätte wechselte (scherzen).

Das Dienstverhältnis konnte nicht ohne triftigen Grund vorzeitig beendet werden, das galt sowohl für den Bediensteten als auch für den Dienstherrn. Bei einer unberechtigten vorzeitigen Beendigung durch den Dienstherren hatte das Gesinde das Recht auf eine Entschädigung in Höhe von einem Vierteljahreslohn. Wenn das Gesinde oder der Dienstherr keine Weiterbeschäftigung über das Vertragsende wünschte, so hatten sie diese drei Monate vor Dienstende kundzutun.

Das Gesinderegister kann auf der Webseite des Geschichtskreises angesehen werden: http://www.geschichtskreis-wabern.de/gesinderegister.php

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