Kalenderblatt Januar 2017

Januar 2018

Heinrich Homburg - Bügermeister in schwerer Zeit

Heinrich Homburg stammte aus Calden, wo er am 18.01.1888 als Sohn des dortigen Schrankenwärters geboren wurde. Nach einer Maurerlehre, Wanderjahren als Schornsteinmaurer im Ruhrgebiet und dem Militärdienst beim Jägerregiment 83 in Kassel bekam er eine Stelle bei der Post in Wabern - er hatte als Bursche bei einem Offizier gedient, der selber Postbeamter war.

1917 heiratete er Martha Koch, älteste Tochter von elf Kindern des Schreinermeisters Heinrich Koch und seiner Frau Katharina, geb. Witzel. Marthas Verlobter, Georg Hebeler, war im Krieg gefallen. Heinrich und Martha hatten drei Sohne: Wilhelm (*16.05.1918, gründete das Baugeschäft Homburg), Georg (*05.02.1922, im Krieg vermisst) und Heinrich (*14.06.1927, Postbeamter).

1923 konnten Heinrich und Martha Homburg auf dem zuvor erworbenen Grundstück am Ende des Dorfes in der Gartenstraße 20 (heute Landgrafenstraße 30) Richtung Uttershausen ein Wohnhaus mit Scheune errichten. Kurios, was in der Familie über die Finanzierung erzählt wird: Es war die Zeit der lnflation, Heinrich hatte einem Bauern auf dem Wege nach Fritzlar eine Wagenladung Getreide abgekauft und auf dem Fußboden seiner Mietwohnung gelagert: Damit konnte er die Maurer bezahlen. Die Scheune, die er in Lohre auf Abbruch gekauft hatte und in Wabern wieder aufbauen lieB, soll teurer als das Wohnhaus gewesen sein.

Neben der Tätigkeit als Landbriefträger führte man eine kleine Landwirtschaft, also Schweine, Kleinvieh und eine Kuh; 15 Acker Land waren angepachtet, und auch Straßenseitengräben. Die durfte man nur nach dem Regen mähen, sonst fraß das Vieh das staubige Gras nicht.

Heinrich Homburg wurde im ersten Jahr nach dem Kriege als ehrenamtlicher Bürgermeister in Wabern, vermutlich unter Einflussnahme der amerikanischen Besatzer, eingesetzt. Die Besatzungsmächte suchten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Menschen, die nicht durch NSDAP-Zugehörigkeit oder gar Verbrechen belastet waren. Heinrich Homburg gehörte mit guten Gründen dazu: Seine Überzeugung als Sozialdemokrat hatte er nie verborgen, der Verkünder der Republik, Philipp Scheidemann, war z.B. Gast im Hause, er unterstüzte sogenannte Fremdarbeiter, legte sich mit einem Udenborner Gutsherrn an, gehörte zu denen, die 1933 im Karlshof von Nazis verprügelt und gefoltert wurden.

Was heutzutage eine schmeichelhafte Ehre und Anerkennung ist, musste damals eine schwere Bürde sein. Die Folgen des Krieges vor Ort kann man sich leicht ausmalen, Not und Mangel waren groß, die Anforderungen an die öffentliche Verwaltung enorm: Die Besatzer verlangten Unterstützung bei Requirierungen, wollten Namen von Nazis genannt haben, die Zwangsbewirtschaftung angesichts der knappen Mittel musste umgesetzt werden: Wer durfte ein Schwein schlachten? Wie wurden die Lebensmittelkarten zugeteilt und kontrolliert? Wie kam man im fürchterlich kalten Winter 1945/46 an Brennstoffe? Der Geschickteste und Diplomatischste war der Bürgermeister wohl nicht.

Da kommt es im April 1946 zu einer peniblen Überprüfung der Kartenstelle in Wabern mit einem niederschmetternden Ergebnis. Gegen mehrere einschlägige Vorschriften wurde in Wabern fahrlässig oder vorsätzlich verstoßen. Die vom Kreis angeordneten Strafmaßnahmen für die Betroffenen dürften für einige Unruhe im Ort gesorgt haben. Gegen den Bürgermeister, der für das alles verantwortlich sein soll, wird am 08.05.1946 ein "Dienststrafverfahren" eingeleitet. Am 05.07.1946 legt Heinrich Homburg sein Amt als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Wabern nieder. Am 03.10.1946 setzte er seinem Leben in seiner Scheune ein Ende.

Für den Kalender gekürzter Text. Der vollständige Aufsatz kann in der Chronik 12OO Jahre Wabern nachgelesen werden.

Zurück zur Kalenderseite