"So war es früher" - Kindheitserinnerungen von Sigrid Laabs geb. Weidemann (Teil 3)
In der Stellmacherwerkstatt
Der Ort, an dem ich mich am wenigsten schmutzig machen konnte, war die Steilmacherwerkstatt. Im Winter oder bei Regenwetter arbeitete Onkel Gerth hier, und ich hielt mich mit Begeisterung dort auf. Der Geruch von frisch gehobelten Spänen dringt mir noch heute in die Nase. Das Gekreische der Säge war weniger angenehm für mich, aber ich spielte so gerne mit den wie Locken aussehenden Hobelspänen oder dem feinen Sägemehl.
Onkel Gerth baute Fenster und Türen, er stellte Wagenräder her oder reparierte sie. Manchmal baute er auch eine Kinderwiege oder das Gestell für einen Puppenwagen, auf das dann ein Weidenkorb geschraubt wurde.
Wenn im Winter ein Sonntag völlig verregnet zu werden schien, durften wir in der Werkstatt spielen. Schon morgens wurde der alte Eisenherd mit Sägespänen und Holzresten geheizt, damit es bald schön warm war.
Zum Mittagessen versammelten wir uns in der Werkstatt. Jeder brachte etwas mit. Lisabeth hatte einen Liter Milch und meine Mutter gab mir immer ein Päckchen Vanillepulver mit, damit wir einen Pudding kochen konnten. Gebhards Lenchen, die Freundin von Luischen, brauchte nur in den eigenen Metzgerladen zu gehen und eine Kochwurst von der Stange zu nehmen. Die Kochwurst gab es natürlich vor dem Pudding. Als Beilage halbierten wir rohe Kartoffeln und legten sie auf die heiße Herdplatte. Die "Kartoffelplätze" schmeckten mit Butter und Salz ganz köstlich.
Die Sache mit dem Storch
In meiner Kindheit war von sexueller Aufklärung der Kinder noch keine Rede. Die kleinen Kinder brachte der Storch. Diesen kannten wir nur aus Bilderbüchern oder Kinderliedern, denn damals gab es in der Waberner Tiefebene keine Störche mehr.
Als ich ungefähr vier oder fünf Jahre alt war, passierte auf Gerths Hof Ungeheuerliches. Ich war einige Tage zu Besuch bei meiner Oma in Felsberg gewesen, und als ich zurückkam, war bei Gerths plötzlich ein kleiner Junge vom Storch gebracht worden. Ich ging mit meiner Mutter bei Gerths in den ersten Stock und sah zum ersten Mal Tante Gerth im Bett liegen, im Arm hatte sie den kleinen Helmut, der für mich aussah wie eine Puppe.
Warum Tante Gerth im Bett lag? Nun, der Storch hatte sie ins Bein gebissen, was er bei allen Müttern von Neugeborenen tat, und das musste erst einmal auskuriert werden.
Ich war so begeistert von dem Neugeborenen, dass ich meine Mutter tagelang aufforderte, Zuckerstückchen draußen auf das Fensterbrett zu legen, um dem Storch zu zeigen, dass wir auch noch ein Baby wollten. Ich verstand überhaupt nicht, dass meine Mutter sagte: "Dafür bin ich schon zu alt." – "Du mit deinen achtundvierzig Jahren", meinte ich darauf empört. Leider ist der Storch nicht mehr zu uns gekommen.
Leben in der Schule
Leben und Arbeiten unter einem Dach, das ist für die heutigen Lehrer nicht mehr vorstellbar. Beide Bereiche werden strikt getrennt. Früher war es selbstverständlich, dass der Schulleiter in der Schule wohnte und sozusagen immer "im Dienst" war.
Ich war schon als Kind ein Langschläfer, aber um kurz vor acht Uhr morgens hörte ich die Stimmen der Schüler, die sich vor der großen Doppeltür auf der Treppe versammelten. Punkt acht schloss Vater dann die Tür von innen auf, und über vierhundert Kinderbeine trampelten die breite Holztreppe nach oben. Das war wie ein Gewitterdonnern. Dann wurde es schlagartig still, und ich schlief wieder ein.
Zwei große und zwei kleine Klassenräume gab es, die restlichen Klassen waren in der Wimmerschule untergebracht. Die Pausen und die Sportstunden fanden auf dem Platz vor der Kirche unter der Linde statt.
Nachmittage wurden manchmal einige geschickte Jungen und Mädchen als Arbeitshilfe bestellt, was diese natürlich mit Stolz erfüllte. Die Jungen durften im Spätsommer in den riesigen Birnbaum neben dem Kircheingang klettern, und die Birnen wurden von ihnen auf ausgelegte Leinentücher heruntergeschüttelt. Die Mädchen lasen sie dann in Körbe auf.
Versicherung? Ausbeutung? Kein Thema!
Auch das berüchtigte "rollende Fass" mit den Ausscheidungen der Lehrerfamilie wurde von den Jungen zum Düngen in den Garten am Dorfrand gefahren. Nicht auszudenken, was die Eltern der Kinder heute dazu sagen würden?! Die Kinder der 8. Klasse mussten auch dafür sorgen, dass im Winter die Öfen in den Klassen beheizt wurden und genug Holz und Kohle bereit stand. Auch für die Sauberkeit der Schule waren sie verantwortlich.
Am Sonnabend war in der letzten Stunde immer Musikstunde. Da nahmen mich die großen Mädchen meistens mit in die Klasse, und ich saß stolz zwischen ihnen.
In dieser Stunde zog sich Vater schon den Nachwuchs für seinen Chor heran. Es war eine große Ehre, wenn er zu einem Schüler oder einer Schülerin gegen Ende der Schulzeit sagte, dass sie nach der Schulentlassung in den örtlichen Gesangverein kommen durften. Dieser Aufforderung kamen sie meistens eifrig nach, und viele blieben Mitglieder des Chors bis ins hohe Alter.