Kalenderblatt September 2009

September 2009

Kaisermanöver in Wabern

Am 20. September 1878 nahmen Wilhelm I. und seine Gemahlin im Hofwagen stehend mit großem Gefolge auf der "Platte" zwischen Udenborn, Uttershausen und Großenenglis oder in unmittelbarer Umgebung in der Waberner Tiefebene, darin sind die Quellen nicht ganz eindeutig, unter dem Jubel von ca. 60.000 Zuschauern, eine Parade seiner Infanterie-, Artillerie- und Kavallerieeinheiten ab. Aus diesem Anlass wurde eine extra große, geräumige und zahlreich beflaggte Tribüne errichtet und sogar Sonderzüge wurden von Kassel aus eingesetzt. Sie brachten die Besucher von Kassel, Gießen, Frankfurt, Hannover, Thüringen und Westfalen nach Wabern. Andere reisten mit der Extrapost, Kutsche oder Leiterwagen ins Zielgebiet.

Wilhelm I. wurde, nachdem er mit seinem Extrazug aus Wilhelmhöhe kurz vor 10.00 Uhr am Waberner Bahnhof eingetroffen war, unter dem endlosen Jubel einer großen Menschenmasse von den Bürgermeistern der Kreise Fritzlar, Homberg und Melsungen begrüßt. Der Kaiser schritt die Aufstellung der Amtsträger ab, nachdem der Älteste unter ihnen, der Homberger von Gehren, auf ihn ein "Hoch" ausgebracht hatte. Anschließend sprach der Monarch zu den mit Kriegsorden aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 dekorierten Bürgermeistern. Zu Hunderten standen die Menschen an den Schienen und auf den Straßen und lauschten seiner Majestät. Doch auch andere begrüßten den Monarchen auf ihre Art. So bildeten die Waberner Schulmädchen unter der Leitung von Lehrer Ochs, in Weiß gekleidet und mit Kornblumenkränzen geschmückt, ein blumenstreuendes Spalier. Der Kaiser und seine Gattin waren entzückt.

Unter den Klängen der Regimentmusiker gingen während dessen die an der Parade teilnehmenden Einheiten in ihre Ausgangspositionen. Den etwa 15 minütigen Weg zum Paradegelände säumten Reihen der Truppen der 21., 22. und 25. Register einer Infanterie-Division, das 11. Jägerbataillon und das 11. Artilleriebataillon. Reitend nahm der Kaiser diese ab. In seinem Gefolge befanden sich der Kronprinz und seine Brüder, sowie zahlreiche Adlige, z.B. der Großherzog von Hessen, der Fürst von Waldeck und Prinz Alfred von Großbritannien. Nach den Erinnerungen eines alten Hombergers waren auch Bismarck, Moltke und Roon zu gegen. Anschließend nahm Wilhelm I. die Parade ab.

Zunächst herrschte an diesem frühherbstlichen Tag noch schönes Wetter, später trat eine Wetterverschlechterung ein. Ein Sturm fegte über das Paradefeld, dass der Staub nur so aufwirbelte. Kleider und Hüte wurden dermaßen mit Staub bedeckt, dass kaum jemand es wagte aufzuschauen. Deshalb konnten die Truppen nicht wie geplant an den Tribünen vorbeiziehen, stattdessen marschierten sie in sicherer Entfernung. Dennoch harrten die Zuschauer auf ihren Plätzen aus, obwohl die Entfernung zu den Vorbeimarschierenden enorm groß war, so dass kaum etwas zu sehen war. Tags darauf begann ein großes dreitägiges Manöver, welches ebenfalls zahlreiche Besucher anzog. Nach Beendigung der Parade wurde der Kaiser noch von Tausenden auf seiner Rückfahrt nach Wabern umjubelt und mit stürmischen "Hurras" gegrüßt. Wenig später fuhr er mit der Bahn zurück nach Wilhelmshöhe.

Paraden- und Denkmalstradition

Diese reicht hier in der Gegend bis 1788 zurück. In diesem Jahr hielt sich Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel vom 1. bis zu 6. Oktober im Schloss in Wabern auf, weil um den Ort herum zu Manöverzwecken sechs Kavallerieregimenter (mit Offizieren zusammen 2.629 Mann), zehn Regimenter zu Fuß, das Jägerkorps und die Artillerie zusammengezogen wurden. Insgesamt nahmen knapp 6.800 Soldaten an diesem Manöver teil. Am ersten Manövertag fanden Infanterieübungen statt, am 3. Oktober stand die Kavallerie auf dem Programm. Tags darauf waren Übungen in gemischten Verbänden dran. Der Abschluss dieser Angriffe sollte jeweils in Zennern stattfinden. "Wenn das Feuer in denen Bataillons aufhöret, bricht die Kavallerie durch und macht ihre Attaque rechts auf der plaine (Ebene) nach Befinden des Terrains. Die Husaren gehen vor dem linken Flügel vom Regiment Landgraf vorbei auf die plaine, so zwischen dem Zennerner Busch und dem Dorf liegt, um den zurückgeschmissenen, auch aus Zennern sich retirirten Feind, wenn es das terrain erlaubt, auf einige Distance zu folgen". Hiermit endeten die militärischen Übungen. Am 5. Oktober war der Feldgottesdienst (eine Kirchenparade) der Haupttagesordnungspunkt. Einen Tag später war um 6.00 Uhr Generalwacht. Nur wenig später begaben sich die Einheiten auf den Rückmarsch in ihre Garnisonen.

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