Das Mahnmahl zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
Am 15. November 1998 wurde das Mahnmahl zur Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt in Wabern eingeweiht. Das Mahnmahl steht auf dem südlich gelegenen Rasenstück neben der evangelischen Kirche. Obwohl schon unter Bürgermeister Emden in der Vorhalle der Friedhofskapelle Waberns eine Gedenkstätte für Opfer des Zweiten Weltkrieges angebracht worden war, bestand unter den Familien in Wabern, die einen Angehörigen verloren hatten, schon lange der Wunsch, dass im Dorf eine Gedenkstätte eingerichtet werden sollte. Die Kriegerwitwen hatten sich zunächst an Frau Katharina Schütz, die damalige Vorsitzende des Landfrauen Vereins, gewandt, die Bürgermeister Wöllenstein die Anfrage vortrug. Der Landfrauen Verein organisierte am 15. Mai 1988 einen Basar, legte von den Einnahmen (neben Spenden an gemeinnützige Einrichtungen) 2000DM für ein Mahnmal auf einem Sparbuch an und veranlasste eine offizielle Eingabe an die Gemeindeversammlung, ein Mahnmal zu errichten. Bei den Kriegerwitwen bestand der Wunsch, dass ebenso wie beim alten Ehrenmahl auf dem neuen Mahnmal ein kurzer Text und die Namen der Gefallenen und Vermissten stehen sollte. Es bedurfte jedoch noch langer Diskussionen in den Fraktionen und in der Bevölkerung, bevor man sich auf die Gestaltung des Mahnmahl einigen konnte. Unter allen Beteiligten war sich einig, dass der Text ohne Heldenpathos formuliert sein sollte, lange aber wurde darüber gesprochen, ob die Namen der Gefallenen und Vertriebenen notiert werden sollten. Wichtige Bedenken hiergegen bestanden darin, dass einerseits nicht nur die eigenen Gefallenen und Vermissten die Opfer des Zweiten Weltkrieges waren, und das andererseits auch unter den zugezogenen Heimatvertriebenen und Flüchtlingsfamilien Opfer zu beklagen waren, deren Namen auch zu nennen gewesen wären. Nach vielen Sitzungen, Gesprächen und einer Bürgerversammlung wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, der einen Konsens ermöglichte. Die Gemeindeversammlung entschied sich dafür, einen längeren Text auf das Denkmal zu setzen, in dem möglichst alle Opfergruppen genannt wurden, ohne die einzelnen Namen der Waberner Opfer im einzelnen zu nennen. Grundlage für diesen Vorschlag war ein Text des VDKs, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der nur leicht abgewandelt wurde. Am 9. Mai 1997 beschloss die Gemeindeversammlung das Mahnmahl, am 28. Mai 1997 beschloss sie 10.000DM für die Erstellung zur Verfügung zu stellen und sie übertrug der Ev. Kirchengemeinde die Entscheidung darüber, welcher der ausgesuchten sechs Gestaltungsvorschläge letztlich durchgeführt werden sollte, da das Mahnmal auf Kirchengelände stehen sollte. Der Text, der auf dem Mahnmahl steht lautet:
"Wir gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Kinder und Frauen und Männer aller Völker,
die durch Kriegshandlungen oder während der Gefangenschaft starben, der Vertriebenen und Flüchtlinge, die
ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen die Gewaltherrschaft leisteten, und
derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder ihrem Glauben festhielten.
Wir gedenken derer, die verfolgt oder getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten oder einer
anderen Rasse zugeordnet wurden.
Wir gedenken derer, die wegen Ihrer Krankheit oder Behinderung als nicht lebenswert bezeichnet wurden.
Wir trauern um all diese Opfer der Kriege, um die Opfer von Terrorismus, politischer Verfolgung und
sinnloser Gewalt.
Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen um die Toten.
Wir hoffen auf Versöhnung unter allen Menschen und Völkern. Wir wollen mithelfen, dass unter den Menschen
in der ganzen Welt Friede und Verständnis herrscht."
Diese Botschaft des Textes wurde von dem örtlichen Steinmetz Bernd Foerster in eindrücklicher Weise gestalterisch umgesetzt und vertieft. Das Mahnmahl ist eine 184 cm hohe Skulptur, die durch Zerteilung einer Steinplatte mit den Maßen 90x30x184 cm gebildet wurde. Die vier Steinbögen, die an zwei Seiten aus herausgestellt sind, umschließen mit dem Hauptbogen eine freigelassenen Innenraum. Bernd Foerster hat in der Ausschreibung die Symbolik erläutert:
"Von der Wand, die gefangen hält, der Mauer des Schweigens, zum beschützenden Freiraum des Friedens. Das Mahnmal soll Veränderung anmahnen. Veränderung muß von innen kommen (aus jedem Einzelnen), Veränderung durch Einsicht und Teilen. Einsicht öffnet den geistigen Horizont - die Herzen, schafft Durchblick - Transparenz, schafft Verständnis, ermöglicht Eingeständnisse und Vergebung. Teilen bedeutet einteilen - z.B. der Ressourcen, aufteilen der Lasten und Pflichten, verteilen - geben und Vergebung. Vergebung schafft den Freiraum - einen Lebensraum für ALLE."
Diese Worte des Künstlers machen auf den Unterschied des neuen Mahnmal gegenüber der Gedenkstätte in der Friedhofsvorhalle aufmerksam. Während dort die Schieferplatte die Sprachlosigkeit angesichts des unermesslichen Leides des Zweiten (und Ersten) Weltkrieges ausdrückt, konnte durch den gesellschaftlichen Prozess der Aufarbeitung der Deutschen Geschichte nun das eigene Erinnern und Gedenken im Zusammenhang mit dem Leid aller Betroffenen gesehen werden. Das ist ein Fortschritt in der Qualität des Erinnerns. Das neue Mahnmal macht deutlich, dass etwas, nicht nur das Schweigen, "aufgebrochen" ist. - Sehr viele Vereine und einzelne Personen haben für die Errichtung des neuen Mahnmals gespendet. Das ist ein gutes Zeichen für Wabern.