Kalenderblatt Juni 2020

Juni 2020

Wohn- und Geschäftshaus Kahl/Breyther, Alte Kasseler Straße 12

Am 16.04.1809 heirate der aus Jesberg stammende Postillion Johannes Kahl seine Anna Martha Ludolph (*16.07.1782 +03.02.1850) aus Wabern. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Darunter der spätere Schreinermeister und Fruchthändler Johannes Kahl (*03.04.1815 +29.07.1874) der in zweiter Ehe Elisabeth Itter aus Gleichen ehelichte. Aus dieser legitimierten Verbindung sind sieben Kinder im Taufbuch der ev. Kirchengemeinde Wabern eingetragen. Hierzu gehörte auch Daniel Kahl (*04.06.1863 +22.04.1954). Der spätere Fruchthändler und Gastwirt hatte am 31.10.1885 Katharina Elisabeth Otto geheiratet. Aus dieser Ehe gingen die Kinder hervor:

Anna Elisabeth Kahl (*29.04.1886)
Heinrich Kahl (*03.08.1888) oo 26.12.1917 Anna Elisabeth Pfannkuche
Martha Elisabeth Kahl (*22.07.1896)
Karl Kahl (*02.1898 +26.04.1967 in Wabern)
Johannes Kahl (*03.05.1902 +1986)

Karl Kahl, genannt Jannek, war mit Anna Gertrud Katharina Mentel (*03.02.1907 +05.11.1968) verheiratet. Er gründete die Firma Radio Kahl. Sein Sohn Hermann (*1930), der Elektroingenieur war am 1960 nach Neu-Isenburg verzogen, verkaufte nach dem Tod der Eltern das Wohnhaus mit dem Elektrogeschäft in der Bahnhofstraße an den Elektromeister Klaus Heßler. Nach dessen Tod ist es in den Besitz von Sohn Rainer Heßler übergegangen. Das Geschäftshaus hat der Erbe seit dem 01.09.2007 an den Seniorenclub Wabern e.V. vermietet. Dort ist heute nach Umbauten das „Cafe am Rathaus“, das vom Seniorenclub betrieben wird, eingerichtet worden.

Johannes Kahl, der jüngste Sohn von Daniel, und seine spätere Ehefrau Marie Elisabeth Taubert (*21.03.1904 in Fritzlar +1992 in Wabern) wuchsen quasi als Nachbarskinder in der Bahnhofsstraße auf. Elisabeth war die älteste Tochter des späteren Oberkassenvorstehers Heinrich Louis Taubert (*10.10.1877 in Liebenstein) und seiner Ehefrau Hermine Sophie Freudenstein (*27.06.1875 in Maden) und wohnte im Haus neben dem Hotel König von Preußen (abgerissen beim Bau der Schnellstraße). Beim Tanz in der Traube verliebten sie sich ineinander. Daniel wollte die Gastwirtschaft zwar an Johannes übergeben, empfand sich aber trotz seines fortgeschrittenen Alters noch zu aktiv fürs Altenteil. Johannes und Elisabeth entschieden sich also für die Selbständigkeit: im Jahr 1926 wurde die Holz- und Kohlenhandlung gegründet. Eine Firma, die viele Jahrzehnte bestehen sollte. In der heutigen Alten Kasseler Straße 12 (damals das Neubaugebiet „Siedlung“) bauten sie ein Haus, das sie mit ihren beiden Kindern bewohnten: dem Sohn Karl-Ludwig (*21.05.1922 +1981) und der Tochter Lieselotte Margarete (*1930 +2014 in Spangenberg).

Zunächst wurden die Kohlen mit dem Pferdewagen von der Zeche Frielendorf nach Wabern gebracht, wo die Leute schon auf den Brennstoff warteten. Im Jahr 1947 wurde der Firma ein Mietwagenbetrieb angegliedert. In dieser Zeit gab es in Wabern insgesamt 3 Mietwagenbetriebe. 1949 erhielt Johannes durch den Gestattungsvertrag der Deutschen Bahn (Marburg) die Möglichkeit, zusätzlich zum Mietwagen eine Kraftdroschke (heute Taxi), auf dem Bahnhofsvorplatz aufzustellen und beschäftigte einen Spätheimkehrer aus Böhmen als Fahrer. 1952 wurde als zusätzliches Gewerbe der Güternahverkehr angemeldet. Weiter kam noch ein Überführungsunternehmen zum Betrieb. Zeitweise stand eine Tankstelle vor dem Kahl‘schen Haus. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Geschäft nach der Einberufung von Johannes von Elisabeth und dem Sohn Karl-Ludwig geführt.

Nach dem Ende des Krieges wurde das Haus besetzt, weil die Amerikaner dort für kurze Zeit ihre Kommandantur einrichteten. Die vielen Bewohner — neben der Familie Kahl noch Mieter und Verwandte, die ihre Wohnung in Kassel verloren hatten - mussten das Haus verlassen und wurden von Nachbaren aufgenommen. Karl-Ludwig Kahl übernahm im Mai 1948 nach Erbverzicht seines Vaters, von Großvater Daniel die Gaststätte Kahl in der Bahnhofstraße (siehe Heimatkalender 2002).

Die Tochter von Johannes und Elisabeth - Lieselotte - half ihrem Bruder in der Gastwirtschaft aus und lernte dort den seinerzeit bei den Amerikanern am Flughafen Fritzlar beschäftigten Heinz Breyther (*07.01.1923 in Regis-Breitingen +18.11.1979) kennen. Heinz zog schließlich nach Wabern und begann in der Firma seines späteren Schwiegervaters zu arbeiten. Er fand in Wabern eine neue Heimat und engagierte sich in div. Vereinen (Handball, Schützenverein). Mit seinen Eltern und Geschwistern, die teilweise in der damaligen SBZ/DDR lebten, hielt er eine lebenslange enge Verbindung aufrecht. Regelmäßige gegenseitige Besuche wurden als glückliche Zeiten erlebt. Auch Elisabeth und Johannes verstanden sich gut mit den neuen Verwandten und beteiligten sich am regen Briefwechsel, der die durch die deutsche Teilung erzwungene Trennung ausgleichen musste. Am 10.07.1954 heirateten Heinz und Lieselotte. Aus der Verbindung gingen die Kinder Dagmar (1958 in Wabern) und Martina (*1962 in Fritzlar) hervor. Im Lauf der Zeit gewannen Güternahverkehr und Personenbeförderung gegenüber dem Kohlenhandel an Bedeutung. Der Kaufmann Heinz Breyther übernahm die Leitung der Bereiche Personenbeförderung (Taxi und Mietwagen) und Güternahverkehr und unterstützte seinen Schwiegervater zusätzlich bei dessen Kohlenhandel. Zeitweise waren Heinz, Lieselotte und Johannes in ihren Taxen unterwegs.

Am 17.03.1980 wurde das Taxe- und Mietwagenunternehmen beim Bürgermeisteramt abgemeldet.

Kleines Bild: Hochzeit von Lieselotte und Heinz Breyther

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