Kalenderblatt November 2019

November 2018

Ein neuer Totenhof für Wabern

Bereits Anfang der 1830er Jahre hat man sich Gedanken über eine Erweiterung des Waberner Totenhofes an der Kirche gemacht. Die östlich vorbeiführende "Heerstraße" (Frankfurter Straße, Wilhelm-Dilich-Straße[1]) würde die in Anfrage kommende Erweiterungsfläche zerschneiden, ist einer Niederschrift des Kreisamts Fritzlar[2] vom 15.07.1836 zu entnehmen. Dort wird Bezug genommen auf eine bereits am 13.11.1831 durchgeführte Erörterung von Erweiterungsmöglichkeiten. Es gäbe aber eine Fläche, die noch nicht benutzt worden ist, so vermerkt das Amt weiter: An der nordöstlichen Seite des Totenhofes, zwischen der Kirche und dem neuen Schulhaus und gegen Südosten sind leere Plätze vorhanden welche noch für geraume Jahre zu Grabstätten benutzt werden könnten. Auch ein an der Kirche (westlich?) gelegener Eiskeller findet Erwähnung, in dessen Bereich nach Stilllegung desselbigen neue Grabstätten möglich wären.

Der damalige Pfarrer Ludwig Werner (Pfarrer in Wabern 1818-1861) war, wie der Aktenlage[3] deutlich zu entnehmen ist, abgesehen von den Möglichkeiten am bestehenden selbst, intensiv auf der Suche nach einem Standort für einen neuen Totenhof. So beschwert er sich beim Konsistorium in Kassel, dass der Ortsvorstand zögere, ein auf der Platte des so genannten Hungerberges, sowie ein anderes an der Seite gelegenes Stück Land abschätzen zu lassen, was das Konsistorium dazu veranlasst, das Kreisamt Fritzlar anzuweisen, den Ortsvorstand zu Wabern die sofortige Abschätzung dieser vom Pfarrer Werner näher zu bezeichnenden Grundstücke aufzutragen und binnen 8 Tagen Bericht einzufordern. Bürgermeister Georg Ludwig Fennel (Bürgermeister von 1807-1842) wehrt sich gegen diese Anordnung umgehend schriftlich mit dem Argument, dass Herr Pfarrer Werner sich noch nicht geäußert habe, welche Grundstücke sich dort am besten eignen würden und wie groß diese sein müssten. Deshalb hätten die Ortstaxatoren eine Abschätzung bislang nicht durchführen können. In einem weiteren Schreiben an das Kreisamt, datiert auf den 16.03.1838, berichtet er grundlegendes zum bestehenden Totenhof: Der Totenhof der hiesigen Gemeinde ist a) im inneren des Ortes, b) dem Flächeninhalt 11/16 Acker[4], 2 Ruthen[5] groß, c) der Boden trocken, die ersten drei Fuß[6] sind schwarz und lehmertig, 4. und 5. Fuß sandig und mitunter mit Kalgsteinen versehen.

Da sich in der Folge die in Betracht gezogenen Grundstücke am Hungerberg und am Rande des Hungerberges als zu sandig und damit für Begräbnisstätten als ungeeignet erwiesen haben (...welcher die Aushebung von Gräbern Nachfallens des Sands nicht möglich macht...) suchte man weiter nach "schicklichen" Grundstücken. In einem Bericht vom Januar 1839 erwähnt Landrath Reichard einen am Weg nach Harle, südöstlich von Wabern gelegenen Garten des "hiesigen Landwirtes Johannes Otto 3.", welcher "wohl pro Ruthen für 3 Reichstaler verkaufen würde". Das Grundstück wäre zwar nur 5/8 Ruthen groß, ließe sich aber auf 3/4 Acker vergrößern. Parallel wird von Pfarrer Werner und Bürgermeister Fennel beim Kreisamt noch ein Grundstück des ehemaligen Rittmeisters Knies, dermalen zu Kassel wohnend, nördlich von Wabern ins Spiel gebracht und um dreiwöchige Frist für eine Kaufanfrage eingeholt. Zu dieser Variante findet sich jedoch in der Folge keine Anmerkung mehr. Dem Konsistorium in Kassel offensichtlich dauert die Suche zu lange und es schreibt an das Kreisamt in Fritzlar im März 1839: Dieser Bericht wird dem Kreisamte Fritzlar mit der Auflage zugesandt in Gemeinschaft mit dem Pfarrer Werner und den Ortsvorständen zu Wabern an Ort und Stelle über die Wahl eines zur Anlegung eines neuen Totenhofes tauglichen Platzes eine Übereinkunft zu veranlassen und bei dem Misslingen dieses letzten Versuches der Einigung zugleich auf dem Eiskeller den nötigen und schicklichsten Platz auszusuchen und zur Ausmessung und Befriedigung desselben geeignete Verfügungen zu treffen. Über den Erfolg wird binnen 14 Tagen ohnfehlbar Bericht erwartet.

Dieses Schreiben hat wohl seine Wirkung nicht verfehlt, da der Bürgermeister bereits am 21. April 1839 mitteilt, dass er nach genommener Rücksprache mit Herrn Pfarrer Werner über die Wahl eines schicklichen Platzes zu einem Totenhofe die Ehre habe gehorsamst zu berichten, dass sich die Fläche ... des hiesigen Ortes nach Osten zu von dem Garten des Johannes Otto 2. gut eignen würde und für den fraglichen Flächenraum er einen Kauf vorläufig derart abgeschlossen habe, dass nach vorgängiger Genehmigung des Platzes dieser (der Eigentümer) für die Größe eine Casseler Ackers 135 Reichstaler erhalte. Er bittet um die Genehmigung dieses Platzes merkt aber gleichzeitig an, dass die Gemeinde ob der bevorstehenden Auffüllungskosten besorgt ist. Schließlich ist im Auszug aus dem Protokoll des Kurfürstlichen Konsistoriums vom 3. Mai 1839 nachstehender Beschluss festgehalten, der dann wohl als Geburtsstunde des ehemaligen Friedhofes auf der Fläche des heutigen Rathauses in Wabern gelten kann.

Beschluss: Die Verlegung des Totenhofes zu Wabern an einem außerhalb des Ortes gelegenen ostwärts an einem wohl unterhaltenen Gemeindewege gelegenen ein regelmäßiges Viereck bildenden schicklichen und schönen Platz wird genehmigt und hat das Kreisamt Fritzlar für die Einfriedung desselben auf der einen noch offenen Seite, so wie für ein verschließbares Eingangstor und eine für das Reihenbegräbnis passende innere Einrichtung zu sorgen.

[1] Siehe auch "1200 Jahre Wabern", Hersg. Gemeinde Wabern 2017, Karte S.45, Ausschnitt aus Militärkarte 1877
[2] Unterzeichnet von Landrath Christian Wilhelm Reichard (Kreis- bzw. Landrat von Fritzlar 1821-1845)
[3] HStAM 180, LA Fritzlar-Homberg, Bestand Nr. 1490
[4] 1 Acker = 150 Quadrat-Ruthen = 2386,5 Quadratmeter
[5] Eigentlich Quadrat-Ruthe = 15,910 Quadratmeter
[6] Etwa 29 cm, 14 Casseler Fuß = 1 Ruthe = 4,06 Meter

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