Kalenderblatt Juli 2015

Juli 2015

Provocation der Pfarrei Wabern gegen Carl Jacob Thielepape und Consorten

Im Jahre 1861 befasste sich das Kurfürstliche Consortium zu Cassel mit einer Klage der Pfarrei Wabern. Klageobjekt war ein "rückständiger Fruchtzins" zugunsten des zuvor verstorbenen Pfarrers Werner, der unter anderem Klage gegen Carl Jakob Thielepape erhoben hatte.

Im Zuge des Rechtsstreites kam heraus, dass sich die Besitzverhältnisse und damit auch die Abgabenpflichten verändert hatte und somit die Pfarrei nur einen deutlich geringeren Anspruch gegen Thielepape geltend machen durfte, den dieser auch anerkannte.

Der Pfarrer, der sich einen teuren Anwalt für die Vertretung seiner Interessen genommen hatte, verlor in zweiter Instanz den Rechtsstreit. Die Kosten des Rechtstreites betrugen insgesamt 29 Thaler, wovon 15 Thaler vom Kirchenkasten Wabern als Vorschuss bezahlt und 14 Thaler und einige Silbergroschen vom Pfarrer ausgelegt worden waren. Laut Aussage seiner Töchter Sophie und Luise Werner war der Pfarrer dazu ermächtigt worden, sich einen Anwalt zu nehmen, womit die Pfarrei die Kosten zu begleichen hätte. Sie baten um die Übernahme der gesamten Kosten des Rechtstreites durch den Kirchenkasten: "Wir müssen daher um so mehr, als der Verlust des fraglichen Rückstandes bei unserer spährlichen Einnahme von uns schwer getragen wird, Kurfürstliches Consortium bitten, Hochdasselbe wolle die Kosten des genannten Rechtsstreites hochgeneigtest auf den Kirchenkasten zu Wabern überweisen."

Der Pfarreiverweser Kröner zu Wabern, der die Vertretung des verstorbenen Pfarrers vorübergehend übernahm, kam nach Durchsicht der Akten zu dem Schluss, dass Pfarrer Werner nicht ermächtigt gewesen sei, die Klage für die Pfarrei zu führen, weswegen auch die Kosten für den Rechtsstreit nicht an die Erben des Pfarrers Werner erstattet werden könnten. Den Vorschuss aus dem Kirchenkasten für den verlorenen Rechtsstreit sollten die Erben vielmehr nun zurückzahlen, nicht zuletzt auch deshalb, "da der Kasten zu Wabern sehr bedrängt" und ein "Überschuss weder im Kirchenkasten Wabern noch in dem zu Uttershausen" sei, wie Körner dem Consortium mitteilte.

Das Consortium stellte fest, dass der Pfarrer zwar tatsächlich ermächtigt gewesen war, einen Anwalt zu beauftragen, um die Rückstände geltend zu machen, nicht aber, um eine "Provokationsklage" anzustellen, die der Pfarrer in eigenem Interesse geführt habe. Durch eine Provokationsklage wurde der jeweilige Verklagte genötigt, seine vermeintlichen Ansprüche innerhalb eines bestimmten Zeitraums klagend geltend zu machen oder für immer zu schweigen.

Da die Ansprüche aber bereits zuvor im Rechtstreit geklärt worden waren, hätte der Pfarrer sich die Provokationsklage und den Anwalt sparen können. Die Akten enden mit der Rückweisung der Klage und dem Antrag auf Übernahme der gesamten Kosten durch die Töchter, denn der Rechtsstreit sei Privatsache des Pfarrers gewesen und somit sei auch der Vorschuss aus dem Kirchenkasten zurück zu zahlen.

Auch in der Zeit von Reichsthaler, Silbergroschen und Heller waren die Kassen leer und die Einwohner stritten um die Abgabenzahlungen. Einen Einblick in die zum Teil sehr armen Verhältnisse in Wabern vor nur rund 150 Jahren zeigt der Bericht des Pfarrvikars Körner an das Kurfürstliche Consortium, in dem er zusammenfasst, wer der Pfarrei noch Zinsen schuldet im Zusammenhang mit dem Rechtstreit des Pfarrers Werner:

"Zwischen den Ländereien des Thielepape und Hohlefeld ist viel Wechsel gewesen, woraus schon Pfarrer Werner viel Schwierigkeiten erwachsen ist. Jetzt lebt nur noch die Wittwe des Hohlefeld, gebührtig aus Lohre, mit der Streitfrage völlig unbekannt, in großer Armuth; ihre Kinder betteln. Eine Klage gegen diese Frau, welche aus früherer Wohlhabenheit so gesunken ist, würde die Pfarrei in übles Licht setzen. Die Frau wird außerdem weder Zins noch Ablösungs-Capital bezahlen können."

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