Kalenderblatt Juli 2003

Juli 2003

Das ehemalige Postamt in der Bahnhofstraße 10

Auszug aus dem Beitrag "Die Post" von Martin Opfer in "1175 Jahre Wabern".

Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage als Knotenpunkt an der Kasseler/Frankfurter Straße dürfte spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Wabern eine landgräflich hessische Poststation eingerichtet worden sein. In der Literatur wird verschiedentlich das Jahr 1756 genannt, in dem die Waberner Posthalterei mit 12 Postillionen und 24 Pferden ins Leben gerufen worden sein soll. Belegt ist die Bestallung des Posthalters Johann Bernhard Thielepape, der am 20.08.1771 von Landgraf Friedrich zu Hessen in sein Amt berufen wurde. Nach seinem Tod am 08.05.1776 erhielt sein Sohn Werner Thielepape am 21.08.1776 das Bestallungsdecret als neuer Posthalter. Am 03.11.1797 wurde er zum Postmeister ernannt. Unter napoleonischer Fremdherrschaft erhielten die einzelnen Briefexpeditionen zum größten Teil erstmalig Poststempel nach einheitlichem Muster: Einzeilige Ortsstempel. Der "Einzeiler Wabern" ist seit 1812 bekannt und wurde auch noch von der Thurn und Taxis'schen Lehenspost bis zum Jahre 1854 verwendet. Diese übte, nachdem sich die politischen Verhältnisse nach dem Wiener Kongress wieder normalisiert hatten und der hessische Kurfürst mit Fürst Karl Alexander von Thurn und Taxis einen Lehensvertrag abgeschlossen hatte, das Postwesen mit Wirkung vom 01.07.1816 in ganz Kurhessen aus. So wurde aus dem vormals landgräflichen und dann kurfürstlich-hessischen Postvorsteher Thielepape ein Thurn und Taxischer Postmeister. Noch dem Tod des Postmeisters Werner Thielepape übernahm der 40iährige Philipp Adam Wetzlar am 10.12.1848 die Postverwaltung, während die Posthalterei im Besitz der Familie Thielepape blieb. Ganz einschneidende Veränderungen für das Postwesen in Wabern und Umgebung brachte das Jahr 1849. Mit der Einweihung des Teilstücks Guntershausen-Wabern der Main-Weser-Bahn war Wabern ab 19.12.1849 Bahnstation geworden. Wetzlar zog mit seiner Postverwaltung in den linken Flügel des neu errichteten Bahnhofsgebäudes. Die Posthalterei, die auch nach dem Tod des Posthalters Friedrich Theodor Thielepape in Familienbesitz verblieb, war in einem großen Fachwerkhaus in der Kasseler Straße (heute Wilhelm-Dilich-Str.) untergebracht. Am 25.05.1857 starb die Posthalterin Lisette Wagner verwitwete Thielepape. Ihr Ehemann Conrad Wagner führte nun die Posthalterei weiter, bis er im November 1859 ebenfalls starb. Sein Nachfolger wurde der Domänenpächter Carl Humburg. Mit ihm ging der 88jährige Familienbetrieb Thielepape erstmals in andere Hände über.

Nach dem Übergang der Postverwaltung an Preußen nach der Annexion im Jahre 1866 wechselte die Posthoheit schließlich am 04.05.1871 auf das neu gegründete Deutsche Reich über. Inzwischen war Wabern zu einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt geworden, so dass sich durch das enorm gewachsene Verkehrsaufkommen die Posträume im Bahnhofsgebäude als viel zu eng erwiesen. Der Bau eines eigenen Posthauses wurde erforderlich und vom Bauunternehmer Völker (Borken) auf eigene Rechnung in der Bahnhofstraße erbaut, in 1898 vollendet und an die Postverwaltung vermietet. Auch im Posthaltereibetrieb vollzogen sich wesentliche Veränderungen und im Jahre 1912 ging dann ein Kapitel Postgeschichte endgültig zu Ende. Die bis dahin unter dem letzten Posthalter Waberns, Adam Otto, noch vorhandenen vier Pferde wurden durch zwei zehnsitzige Kraftomnibusse ersetzt. Im Jahre 1924 wurde in Wabern das erste Wählamt eingerichtet. Im selben Jahr fand die Landverkraftung der gesamten Region statt. Vom Leitpostamt Wabern aus waren nun plötzlich 26 Poststellen zu betreuen. Als der neue Postmeister Konrad Witzel am 01.04.1933 die Amtsleitung übernahm, waren ihm 15 Bedienstete unterstellt. Nach schweren Zeiten im Zweiten Weltkrieg marschierten die Amerikaner am Karfreitag 1945 in Wabern ein. Das Postamt wurde besetzt und in den Räumen eine Dienststelle des Roten Kreuzes eingerichtet. Am 01.07.1945 beauftragte man den Postbetriebswart Georg Brauer die Dienstgeschäfte unter seiner Leitung wieder aufzunehmen. Am 01.08.1945 wurde der in 1936 abgelöste Postmeister Konrad Witzel erneut in sein Amt eingeführt. Mit ihm ergab sich ein Personalbestand von 11 Beamten. Das Leitpostamt Wabern erfuhr am 15.07.1955 eine deutliche Aufwertung, als in ihm die zentrale Briefabgangsstelle für die gesamte Region eingerichtet wurde. Diese Ausweitung des Betriebes machte einen Um- und Erweiterungsbau erforderlich, der am 25.06.1956 eingeweiht werden konnte. Am 01.06.1962 verlor das Postamt Wabern seine Selbständigkeit und wurde dem Verwaltungspostamt FritzIar unterstellt. Die Verlegung weiterer wichtiger Dienststellen von Fritzlar nach Wabern machten einen weiteren Um- und Erweiterungsbau im Jahre 1977 erforderlich.

Am 01.03.1986 wurde die Waberner Briefverteilung eingestellt, weil in Kassel eine automatische Briefverteileranlage die Arbeit übernahm. Auch die Glanzzeiten der Post sind Nostalgie. Die 1756 gegründete Post mit seiner wechselvollen Geschichte wurde ein Opfer von Mechanisierung, Automatisierung und Zentralisierung. Seit dem 01.08.1999 steht das Postamt mit seinem 1977 errichteten Anbau leer. Die Dienstleistungen der Post werden seit dieser Zeit von der politischen Gemeinde dem Bürger im Rathaus angeboten.

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