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Historiker
Skulptur von Timo Schleginsky

Der Historiker blättert im Buch der Erinnerungen und blickt zurück auf die Ereignisse in Wabern während des 2. Weltkrieges nach der Bombardierung der Edertalsperre. Die Figur erinnert an den französischen Kriegsgefangenen Horhe Devillepoise, der in der Ederflut ertrank.

Die Ederseekatastrophe vom 17. Mai 1943

Nach der Bombardierung der Edertalsperre durch die Engländer entleerten sich 160 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Edersee ins Edertal. Am stärksten betroffen von der Flutwelle war die talsperrennahe Gemeinde Affoldern, aber selbst im 70 Kilometer entfernten Kassel wurden noch Stadtteile überschwemmt. Die Flutwelle wird von Augenzeugen als eine mehrere Meter hohe, grauweiße, steile Wasserwand beschrieben, die mit ungeheurer Wucht durch das Edertal raste und Brücken, Häuser, Menschen und Vieh mitriss. Wabern erhielt die Schreckensnachricht per Telefon vom Bahnwärter in Mehlen an seinen Kollegen im Bahnhof Wabern, der den Bürgermeister und die Ortspolizei informierte. Daraufhin setzte eine wahre Völkerwanderung aus dem Ortskern Richtung Tannenhöhe und Hungerberg ein. Mit Handziehwagen und Schubkarren, mit Pferde- und Kuhgespannen versuchten die Menschen sich selbst und ein paar Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen.

In Wabern war gegen 5.15 Uhr das Rauschen und Brodeln der Wassermassen zu hören. Um 5.30 Uhr traf die Flutwelle ein, überschwemmte den ganzen Ort und erreichte in den tiefergelegenen Bereichen des Ortskernes, etwa bei der Bäckerei Schneider (Wilhelm-Dilich-Straße 14), gegen 11 Uhr den Höchststand von zwei Metern. Im Wasser trieben unter anderem Baumstämme, Hausdächer mit Menschen darauf, Möbelstücke, Gartenzäune und totes Vieh. Als das Wasser bis zum nächsten Tag weitgehend abgeflossen war, zeigte sich das ganze Ausmaß der Katastrophe: Auf den Höfen häuften sich die Kadaver der ertrunkenen Tiere, die Keller und unteren Wohnetagen der Häuser waren völlig verschlammt. Drei Menschen ertranken in der Flut. Der Waberner Georg Knaust erinnert sich im Jahre 2016 an die Erzählungen seines Vaters Heinrich:

Flut

Der Kriegsgefangene Horhe Devillepoise aus Guibermenil an der Somme (* 01.09.1912) war am fraglichen Tage mit einem Kuhgespann von Georg Momberg (Am Kirchplatz) unterwegs. In Höhe des Grundstücks Knaust (Wilhelm-Dilich-Straße 5) wurde er von den Wassermassen überrascht. Er flüchtete auf den Hof Knaust und brachte sich auf der Treppe zur Futterremise in Sicherheit. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen versuchte er durch die Wassermassen einen anderen Standort auf dem Hof schwimmend zu erreichen. Dabei trieb ihm ein Mastschwein entgegen. Durch den Aufprall konnte er sein Ziel nicht erreichen und ertrank. Heinrich Knaust und sein ihm zugewiesener landwirtschaftlicher Helfer aus Russland, die den Kampf gegen die Wassermassen beobachteten, konnten ihm nicht mehr helfen.

Logo Wabern

Abbildungen: Wilhelm-Dilich-Straße (Blick von der Kirche aus Richtung Osten) während der Überschwemmung nach der Katastrophe. Links: Auf dem Hof Knaust (in Höhe des Strommastes vor dem dritten Haus auf der rechten Seite) ertrank Horhe Devillepoise.

Text: Dr. Helmut Hennighausen, Bettina Mangold